Der Tienschan-Laubsänger (Phylloscopus humei) ist eine kryptische Vogelart. Äußerlich ist er nur schwer vom Gelbbrauen-Laubsänger zu unterscheiden. Bis 2002 wurde der Tienschan-Laubsänger als Unterart des Gelbbrauen-Laubsängers geführt. Dort, wo sich die Brutareale überschneiden, koexistieren beide Arten nebeneinander, ohne dass es zu Mischbruten kommt. Beide Arten unterscheiden sich deutlich in ihren ökologischen Ansprüchen. Besonders offensichtlich wird der Unterschied im Stimmrepertoire der Vögel. Beide Laubsänger reagieren auch auf Rufe und Gesänge der jeweiligen anderen Art nicht. Erst genetische Untersuchungen haben dazu geführt, den Artstatus des Tienschan-Laubsängers zu erkennen.
Größe: 10–11 cm; Gewicht: 5–8,8 g
Verbreitung: Brutgebiete in Südsibirien, Zentralasien und Himalaja (Altai, Tien Shan, Nepal, Nordindien); Überwinterung in Südasien
Nahrung: Insekten und deren Larven (v. a. Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge, Libellen, Fliegen, Wanzen, Blattläuse, Kakerlaken); auch Spinnen und Weichtiere
Lebensraum: Nadelwälder (Lärche, Kiefer), subalpine Strauchzonen, Laubwälder, Rhododendrongebüsche, im Winter auch Flusswälder, Plantagen, Gärten und lichte Wälder
Zugverhalten: Langstreckenzieher; Zugbewegungen zwischen Zentral- und Südasien mit Durchzug durch Gebirge und Ebenen von August bis Mai
Brutzeit: Ende Mai bis Anfang August
Nest: Kugelnest aus Pflanzenfasern, Moos, Gras und Tierhaaren; bodennah zwischen Wurzeln oder unter Büschen verborgen
Fortpflanzung: Monogam; meist 4–5 Eier (gelegentlich 6); eine Brut (im Tien Shan vereinzelt zwei); Brutdauer 11–14 Tage; Nestlingszeit 11–15 Tage; Betreuung bis zur Selbstständigkeit nach 21 Tagen
Höchstalter: unbekannt
Bestand: unbekannt
Status: LC – Least Concern: nicht gefährdet
In Deutschland: seltener Irrgast
Der Tienschan-Laubsänger verwendet zwei verschiedene Gesangstypen, die sich deutlich unterscheiden. Der erste Gesangstyp🔊 , wird zu Beginn der Brutzeit eingesetzt. Es ist ein einsilbiger, stark gedehnter Laut im hohen Frequenzbereich. Er dient dazu, Weibchen in das Revier zu locken. Der zweite Typ 🔊 wird erst später im Verlauf der Brutsaison verwendet. Dieser Gesang wird zur Reviermarkierung gegenüber anderen Männchen benutzt. Er besteht aus zwei Silben, die jeweils aus 2–3 frequenzmodulierten Tönen bestehen und klingt deutlich anders. Es ist ein Gesang, der nicht zum Aggressionsverhalten des Laubsängers gehört.
Der Ruf🔊 des Tienschan-Laubsängers erinnert an eine Bachstelze, ganz anders als der des Gelbbrauen-Laubsängers.🔊
Beobachtungen des Tienschan-Laubsängers sind in Deutschland deutlich seltener als die des nah verwandten Gelbbrauen-Laubsängers. Zwischen 2010 und 2021 ist er insgesamt 31-mal nachgewiesen worden. Die Beobachtungen fanden ausschließlich zwischen Oktober und Februar statt, mit einem Schwerpunkt im Oktober und November. Besonders oft wurde er auf Helgoland (10-mal) und auf der Greifswalder Oie (4-mal) festgestellt. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass Helgoland so viele Ornithologen anzieht und sich auf beiden Inseln eine Beringungsstation befindet.
Der Tienschan-Laubsänger ist ein mittelgroßer, schlanker Laubsänger mit olivgrün-grauer Oberseite, deutlichem Überaugenstreif und zwei meist blassen
Flügelbinden; die Unterseite ist weißlich bis grau, der Schnabel überwiegend schwarz. Die Geschlechter sehen gleich aus.
Jungvögel zeigen braunere Oberseiten, sandfarbene Flügelbinden, schmutzig weiße Unterseiten und einen sandfarbenen Ton an den Flanken.
Im Vergleich zum Gelbbrauen-Laubsänger ist das Gefieder matter gefärbt. Er ist aber optisch schwer von diesem zu unterscheiden. Die Unterscheidung im Freiland
gelingt am zuverlässigsten über Ruf und Gesang.
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