Der Rotkopfwürger (Lanius senator) war im 19. Jahrhundert ein bis Mecklenburg-Vorpommern in ganz Deutschland verbreiteter Brutvogel und stellenweise recht häufig. Die wärmeliebende Art macht das atlantische geprägte Klima zu schaffen, sodass es immer wieder zu größeren Bestandsschwankungen in Deutschland gekommen ist.
Ende des 20. Jahrhunderts lag der Verbreitungsschwerpunkt des Rotkopfwürgers in der Oberrheinischen Tiefebene. Die Zerstörung der Lebensräume, Streuobstwiesen wurden aufgegeben und abgeholzt, die Flurbereinigung und der Insektenrückgang haben dazu beigetragen, dass der Rotkopfwürger 2010 in Deutschland ausgestorben ist.
Größe: 18–19 cm; Gewicht: 21–59 g
Verbreitung: Süd- und Mitteleuropa, Nordafrika, Naher Osten bis Iran;
Nahrung: Vorwiegend große Insekten (v. a. Käfer, Heuschrecken, Raupen), auch Spinnen; seltener kleine Wirbeltiere wie Eidechsen, Kleinsäuger und Vögel
Lebensraum: halboffene Landschaften mit Büschen und Bäumen, alte Obstgärten, Olivenhaine, Gärten, Hecken, lichte Wälder; in Afrika Dornbuschsavanne
Zugverhalten: Langstreckenzieher; Abzug aus Europa ab Mitte August bis Anfang September; Ankunft in Überwinterungsgebieten August bis Oktober; Rückkehr ab Februar bis Mai, Brutgebietsankunft Anfang Mai
Höchstalter: 6 Jahre und 11 Monate
Brutzeit: Mitteleuropa: Anfang Mai bis Ende Juni; Nordafrika und Israel: ab März/April
Nest: Von beiden Eltern gebaut, kompakter Napf aus Zweigen, Wurzeln, Pflanzenmaterial, ausgekleidet mit Wurzeln, Haaren, Moos, Spinnweben; meist 1–5 m hoch in Bäumen oder Büschen
Fortpflanzung: monogam; in südlichen Regionen zwei Jahresbruten, in Europa meist eine; Gelegegröße 4–8 Eier; Brutdauer 14–16 Tage; Nestlingszeit 15–18 Tage; Jungvögel werden bis zu 6 Wochen von den Eltern versorgt.
Bestand: 0 Brutpaare in Deutschland; 1,9-3,1 Millionen in Europa, 5,9-9,6 Millionen Vögel weltweit
Status: NT – Near Threatened, potenziell gefährdet, Trend abnehmend: 25 % in den letzten 10 Jahren in Europa
In Deutschland: Brutvogel, Zugvogel, vom Aussterben bedroht; hat 2009 zuletzt in Deutschland gebrütet.
Der Rotkopfwürger ist während der Brutzeit sehr rufaktiv und macht mit einem abwechslungsreichen Repertoire auf sich aufmerksam. Der Gesang 🔊 ist eher leise, umfasst aber viele flötende, schnarrende und nachahmende Elemente, darunter Imitationen anderer Vogelarten. Bei Störung oder Aufregung ruft er scharf „tschä-tschä-tschä“ oder „tschäk-tschäk“🔊. Jungvögel äußern zur Nahrungsforderung laute Bettelrufe, die sich deutlich von den Lauten der Altvögel unterscheiden. Während der Nestlingszeit äußern Jungvögel Bettelrufe 🔊, die sich deutlich von den Lauten der Altvögel unterscheiden.
Der Rotkopfwürger war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Teilen Deutschlands verbreitet, insbesondere im Süden und Westen. Zu den historischen Verbreitungsschwerpunkten zählten Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, das Saarland und Nordbayern. Zwischenzeitlich reichte sein Vorkommen bis nach Mecklenburg-Vorpommern und an die Küstengebiete Norddeutschlands. Seit den 1990er Jahren ist der Brutbestand drastisch zurückgegangen und beschränkt sich heute auf wenige Regionen, v. a. in Südwestdeutschland. Nur noch vereinzelte Brutpaare wurden in jüngerer Zeit etwa in der saarländischen Bliesgau-Region oder im Oberrheingebiet nachgewiesen.
Der Rotkopfwürger bewohnt bevorzugt extensiv bewirtschaftete, strukturreiche Streuobstwiesen mit altem Baumbestand. Er nutzt auch Flussniederungen mit Pappelreihen, Feldraine, Brachflächen und Gärten in Siedlungsnähe. Entscheidend für das Vorkommen sind niederwüchsige Gras- und Ruderalvegetation sowie das Vorhandensein offener Bodenstellen, die eine gute Jagdmöglichkeit bieten. Die Art tritt auch in Viehweiden, Kleintierhaltungsbereichen und Obstanlagen auf. Insgesamt bevorzugt der Rotkopfwürger halboffene Kulturlandschaften mit einem Wechsel von Bäumen, Gehölzen und offenen Flächen.
Der Rotkopfwürger ist ein Langstreckenzieher, der im tropischen Afrika überwintert – je nach Unterart zwischen Mauretanien und Uganda bis nach Burundi. Der Herbstzug beginnt meist im Juli und erreicht seinen Höhepunkt im August. Erfolgreiche Brutpaare verlassen mit ihren Jungen das Brutgebiet oft schon früh. Frühjahrszug findet von Ende März bis Anfang Juni statt, mit Schwerpunkt zwischen Mitte April und Mitte Mai. Ringfunde belegen einen südwestlich gerichteten Zugweg über Spanien und Marokko sowie Hinweise auf einen Schleifenzug gegen den Uhrzeigersinn.
Der Bestand des Rotkopfwürgers ist seit den 1960er Jahren deutlich rückläufig, nachdem er zuvor in mehreren Bundesländern noch regelmäßig und teils häufig brütete. Als Ursachen gelten v. a. die Veränderungen der Landwirtschaft, Flurbereinigung, Zersiedelung sowie die Umwandlung extensiver Wiesen in intensiv genutzte Flächen. Hinzu kommen klimatische Schwankungen und Verlust an Brutplätzen. In den 1980er Jahren schrumpfte das Brutareal auf wenige südwestdeutsche Regionen zusammen. Seit den 1990er Jahren wurde in Deutschland kein regelmäßiges Brutvorkommen mehr nachgewiesen. Der letzte Brutnachweis fand 2009 statt, seitdem ist es nicht mehr zu einer Brut in Deutschland gekommen. Auch in der Schweiz fand die letzte Brut 2009 im Kanton Basel-Landschaft statt. In Österreich ist der Rotkopfwürger bereits seit 1982 ausgestorben. In die Kategorie 0, ausgestorben, wird in Deutschland ein Brutvogel aufgenommen, der seit mindestens 10 Jahren nicht mehr im Land gebrütet hat.
DDA (2024): Bestandsentwicklung, Verbreitung und jahreszeitliches Auftreten von Brut- und Rastvögeln in Deutschland.. DDA, abgerufen am 17.07.2025.
Der Rotkopfwürger ist auffällig gefärbt mit weißer Unterseite, kastanienbraunem Scheitel und Nacken sowie einer schwarzen Gesichtsmaske, die sich bis zur Stirn zieht. Im Flug sind der weiße Flügelspiegel und die großen weißen Schulterflecken charakteristisch, der Schwanz zeigt eine reduzierte weiße Zeichnung. Das Weibchen ähnelt dem Männchen, ist jedoch insgesamt matter gefärbt und die Maske ist weniger deutlich ausgeprägt. Jungvögel zeigen eine grau-braune Oberseite mit dunkler Schuppenzeichnung und rahmfarbener Unterseite mit Bogenmustern. Die Schulterfedern sind besonders hell und kontrastreich. Im ersten Ruhekleid kommen bereits rotbraune Gefiederpartien vor, die noch teilweise mit Jugendfedern gemischt sind.
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