Wühlmäuse machen einen erheblichen Anteil des Nahrungsspektrums beim Raubwürger (Lanius excubitor) aus. Ähnlich wie der Turmfalke und andere Greifvögel ist der Raubwürger in der Lage, die Urinspur der Mäuse mithilfe von UV-Rezeptoren in der Retina wahrzunehmen. Frischer Mäuseurin reflektiert UV-Licht besonders gut.
Wie alle Würger spießt der Raubwürger seine Beute auf Dornen oder abgebrochenen Ästen auf. Während der Balzzeit werden diese Vorratskammern exponiert angelegt, um weiblichen Vögeln zu imponieren. Bei der Aufzucht der Jungen sind die Spießplätze versteckt, in Nestnähe zu finden.
Größe: 24–25 cm
Gewicht: 48–81 g
Verbreitung: Von Nordeuropa und Zentralfrankreich bis nach Nordwest-Sibirien; Nordafrika, Naher Osten und Zentralasien
Nahrung: Kleine Wirbeltiere (v. a. Wühlmäuse, kleine Vögel, Echsen, Frösche), große Insekten (v. a. Käfer, Heuschrecken, Hautflügler), Spinnen, Schnecken, Regenwürmer und gelegentlich Früchte; Beute wird oft auf Dornen oder Draht gespießt
Lebensraum: Offenes bis halboffenes Gelände mit Bäumen, Sträuchern und Sitzwarten; zur Brutzeit in der Taiga, im Übergangsbereich zur Tundra, in Mooren und Kulturlandschaften, im Winter auch in Wiesenlandschaften mit Weiden oder in der Nähe menschlicher Siedlungen
Zugverhalten: Teilzieher; in Europa Zugbewegungen zwischen Juli und Oktober, Rückkehr zwischen März und April; überwintert südlich des 60. Breitengrads, insbesondere in Süd- und Mitteleuropa; asiatische Populationen ziehen teils bis nach Ostafrika
Brutzeit: Ende März bis Ende Mai (Mitteleuropa März–Juni)
Nest: Hoch gelegenes Nest (Ø 15,5 m über dem Boden) aus Zweigen, Gras und Wurzeln mit weicher Auskleidung, meist in Kiefern oder Pappeln, seltener in Sträuchern
Fortpflanzung: monogam, selten polygyn; 1 Brut pro Jahr (sehr selten 2); 3–9 Eier; Brutdauer 14–19 Tage; Nestlingszeit 14–21 Tage; Jungvögel bleiben 3 Wochen bei den Eltern, Verlassen des Reviers 6–7 Wochen nach dem Ausfliegen
Höchstalter: 8 Jahre, 4 Monate
Bestand: 1.500–2.300 Brutpaare in Deutschland, 64.000–125.000in Europa, weltweiter Bestand: 640.000-1.250.000 Vögel
Status: LC – Least Concern; nicht gefährdet; Trend: abnehmend
In Deutschland: Jahresvogel, Zugvogel, Wintergast, vom Aussterben bedroht, Rote Liste Kategorie 1, Trend: abnehmend
Der Gesang 🔊 des Raubwürgers besteht aus kurzen, motivartigen Strophen mit Elementen wie „trrr“, „prrr“, „tülick“ und „kiet“, in die auch Imitationen 🔊anderer Arten eingebaut sein können. Vorgetragen wird er vorwiegend von Männchen ab Dezember, bevorzugt von erhöhten Warten. Häufig sind Rufe wie der Warntriller „trrr-trrr“ 🔊, der Bettelruf „kwää“🔊 sowie Kontaktrufe wie „chlüp“ oder „trief“, die oft in Duetten während der Paarbildung geäußert werden. Schnabelknattern 🔊 begleitet aggressive Interaktionen, während „kwää“ und „krek“ bei Jungvögeln der Kontaktaufnahme und Beschwichtigung dienen. Jungvögel singen leiser und eher versteckt mit kratzenden, tonlosen Lauten.
Der Raubwürger ist in Deutschland vorwiegend im Nordostdeutschen Tiefland verbreitet, mit Schwerpunkten im Fläming, Luckauer Becken, der Niederlausitz, dem Elbe-Mulde-Tiefland sowie der Oberlausitzer Heidelandschaft. Weitere Vorkommen bestehen im östlichen Mitteldeutschland, darunter in Thüringen, zwischen Thüringer Wald und Rhön, im Hessischen Bergland sowie im Vogelsberg, Sauerland und Westerwald. Kleinere Brutgebiete existieren im Pfälzisch-Saarländischen Muschelkalkgebiet, im Südwesten Mittelfrankens sowie am Rand des Erzgebirges. In Niedersachsen und Nordwestdeutschland gibt es Vorkommen in der Lüneburger Heide, dem Diepholzer Moor sowie in der Stader Geest. Auffallend sind Verbreitungslücken im Raum Berlin/Potsdam, im Harzvorland und in der Magdeburger Börde.
Der Raubwürger bewohnt halboffene Landschaften mit niedrigen Büschen, Einzelbäumen und gehölzarmen Flächen mit geringer Pflanzendichte. Er bevorzugt Strukturen mit Ansitzwarten, von denen aus er offene Flächen zur Beutesuche überblicken kann. Besonders wichtig sind dauerhaft gute Nahrungsverfügbarkeit und geringer Störungseinfluss. Bevorzugt werden Ränder von Truppenübungsplätzen, Grünlandbrachen, Bahntrassen, Heckenstreifen sowie unbefestigte Wege. In den Mittelgebirgen steigt er bis in Höhenlagen um 920 m auf.
Der Raubwürger ist ein Teilzieher, bei dem nördliche Populationen im Winter vollständig abwandern, während deutsche Brutvögel meistens im Brutgebiet verbleiben oder in südlichere Regionen ausweichen. Der Herbstzug beginnt in Mitteleuropa meist Mitte bis Ende September und erreicht seinen Höhepunkt im Oktober, mit Einflug in die Wintergebiete bis Anfang November. Im Frühjahr setzt der Zug ab Mitte Februar ein und dauert bis in den April, regional auch bis Anfang Mai. Altvögel überwintern häufiger als Jungvögel im Brutgebiet. Die Wintergäste stammen aus dem skandinavischen Raum. Osteuropäische Raubwürger ziehen in der Regel über südöstliche Routen in den Mittelmeerraum.
Die Bestände des Raubwürgers nahmen in Westdeutschland bereits seit dem 19. Jahrhundert ab, verstärkt durch Strukturverlust und feuchte Frühjahre mit Brutverlusten. Besonders schneereiche Winter wie 1962/63 oder 1978/79 führten zu massiven Rückgängen. Seit den 1990er Jahren zeigt sich vielerorts ein weiterer Rückgang, etwa in Niedersachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Für Deutschland wird der Brutbestand heute auf 1.500–2.300 Paare geschätzt. Er ist in Deutschland vom Aussterben bedroht und wird auf der Roten Liste der Brutvögel in Deutschland in der Kategorie 1 geführt.
Der Raubwürger ist der größte in Deutschland und Europa vorkommende Würger und zeigt ein hellgraues Oberseitengefieder, eine markante schwarze Gesichtsmaske sowie weiße Unterseiten mit leicht rosa Anflug an Brust und Flanken im frischen Gefieder. Männchen und Weibchen ähneln sich weitgehend, bei den Weibchen kann die Brust jedoch fein gewellt sein. Jungvögel tragen ein bräunlichgraues Gefieder mit angedeuteter Bänderung auf der Unterseite und weniger kontrastreicher Gesichtszeichnung.
Zitiervorschlag: