Der Seidenschwanz (Bombycilla garrulus) hat im Volksmund viele Namen. Die Bezeichnung Seidenschwanz spielt auf das seidenartige Gefieder an. In England heißt er Bohemian Waxwing – „Waxwing“ bezieht sich auf die roten Punkte im Gefieder, die an Siegellack erinnern. Auch in Deutschland wurde er regional als Böhmer oder Böhmerlein bezeichnet, im Irrglauben, der Vogel käme aus Böhmen. Weitere überlieferte Namen sind Pestvogel und Sterbevogel, da das Erscheinen großer Schwärme im Herbst und Winter früher als Unglücksbote gedeutet wurde – etwa im Zusammenhang mit Pestzügen.
In Deutschland und in Mitteleuropa ist der Seidenschwanz kein Brutvogel. Die Art neigt aber zu invasionsartigen Wanderungen. Die letzte große Invasion des Seidenschwanzes fand 2004/05 in Deutschland statt. Damals wurden dem Dachverband Deutscher Avifaunisten eine halbe Million Vögel gemeldet. Auslöser für solche Wanderbewegungen ist das Nahrungsangebot. Seidenschwänze ernähren sich fast ausschließlich von Früchten. Auch die Jungvögel werden nur mit einem geringen Anteil an Insekten gefüttert. Wird das Nahrungsangebot für die nordischen Brutvögel knapp, gehen sie auf Wanderschaft.
Größe: 18–21 cm; Gewicht: 45–83 g
Verbreitung: Nördliche Nadelwälder Eurasiens von Skandinavien bis Kamtschatka; in Nordamerika in Alaska und Kanada. Im Winter bis nach Mitteleuropa, Nordchina, Japan und Nordamerika südlich bis in die USA.
Nahrung: Hauptsächlich zuckerhaltige Früchte; im Sommer auch Insekten, Knospen und Baumsäfte; gelegentlich auch andere pflanzliche Stoffe und kleine Wirbellose.
Lebensraum: In der Brutzeit bevorzugt offene Nadel- oder Mischwälder mit beerentragenden Pflanzen in der Nähe von Gewässern; im Winterhalbjahr in Parks, Gärten, Städten und an fruchttragenden Büschen.
Zugverhalten: Teilzieher; bekannt für invasionsartige Wanderungen bei Nahrungsmangel. Wanderflüge erfolgen meist ab Oktober, Rückkehr ins Brutgebiet ab März.
Brutzeit: Mitte Juni bis Ende Juli
Nest: In Nadel- oder Laubbäumen, gut versteckt und mit Fasern, Moosen und Flechten getarnt
Fortpflanzung: Monogam; 1 Jahresbrut; 4–6 Eier; Brutdauer: 13–15 Tage; Nestlingszeit: 15–18 Tage; Flugfähigkeit: kurz nach Verlassen des Nests; Elternbetreuung: mindestens 2 Wochen nach dem Ausfliegen
Höchstalter: 13 Jahre, 6 Monate (Totfund)
Bestand: 1,0-2,1 Millionen Brutpaare in Europa, 14,4-28,2 Millionen Vögel weltweit
Status: LC – Least Concern - nicht gefährdet
In Deutschland Zugvogel und Wintergast, mit teilweise invasionsartigen großen Einflügen, zuletzt 2004 und 2008
Ungewöhnlich für Singvögel ist das geringe Stimmrepertoire des Seidenschwanzes. Der Reviergesang🔊 unterscheidet sich nur geringfügig vom Ruf🔊 des Vogels. Das hängt vermutlich mit dem geringen territorialen Verhalten des Seidenschwanzes zusammen. Die klingelartigen Rufe sind jedoch so markant, dass man die Vögel oft erst hört, bevor man sie sieht.
In Deutschland ist der Seidenschanz ein Wintergast oder Durchzügler. Auf dem Weg in die Überwinterungsgebiete in Norditalien und Kroatien. Es sind Teilzieher, deren Auftreten in Mitteleuropa starken Schwankungen unterliegt. Einzelne Vögel oder kleine Trupps können jedes Jahr, vorwiegend in Nordostdeutschland, beobachtet werden. Es kann aber auch zu invasionsartigen Einflügen kommen. Diese hängen im Wesentlichen von zwei Faktoren ab. Dem Nahrungsangebot im Spätsommer in den Brutgebieten und dem Bruterfolg.
Sechs große Einflüge gab es im 20. Jahrhundert in Deutschland: 1903, 1913, 1931, 1965, 1988, 1995.
Der Seidenschwanz ist etwa starengroß, wirkt aber gedrungener und fällt durch seinen sehr kurzen Schnabel sowie eine aufstellbare Federhaube auf. Im Brutkleid erscheinen Kopf, Oberseite und Körperseiten überwiegend braungrau, wobei bunte Gefiederpartien wie rote Wachsflecken an den Armflügeln, gelbe Schwanzspitze sowie weiße und gelbe Flecken auf Flügeldecken deutlich hervortreten.
Die Geschlechter unterscheiden sich nur geringfügig und sind im Feld kaum zu unterscheiden. Jungvögel sind insgesamt matter gefärbt, zeigen eine bräunlichere Tönung mit verwaschener Längszeichnung auf der Unterseite und besitzen keine schwarzen Kehllappen. Im Schlichtkleid sind die Tiere weniger kontrastreich, behalten aber wichtige Abzeichen wie Flügelflecken und Schwanzbinde.
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