Der Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) ist eine sehr standorttreue Vogelart. Nur bei großem Nahrungsmangel und nach besonders gutem Bruterfolg verlassen vorwiegend Jungvögel ihr angestammtes Gebiet. Dann kann es zu großen Invasionsbewegungen kommen, die bis nach Mitteleuropa reichen. Die größte Invasion östlicher Tannenhäher im 20. Jahrhundert fand 1968 statt. Sie begann bereits Mitte Juli und erreichte ihren Höhepunkt in der zweiten Augustwoche. Die Vögel zeigten wenig Scheu und wurden im Verlauf des Herbstes zunehmend ortstreu. Viele hielten sich in Gärten und Parkanlagen auf. Dies wurde ihnen jedoch oft zum Verhängnis: Die häufigste Todesursache war der Abschuss, obwohl der Tannenhäher damals streng geschützt war.
Größe: 30–34 cm
Gewicht: 124–220 g
Verbreitung: Von Skandinavien über die Taiga Sibiriens bis nach Kamtschatka, Japan und in disjunkten Populationen in den Alpen, Zentral- und Südosteuropa.
Nahrung: Hauptsächlich Samen von Kiefern (z. B. Pinus cembra, P. sibirica), Haselnüsse, Insekten, Spinnen, kleine Wirbeltiere und gelegentlich Aas; auch menschliche Nahrungsreste.
Lebensraum: Nadel- und Mischwälder, bevorzugt montane Regionen mit Fichten, Lärchen, Zirbel oder Kiefern; außerhalb der Brutzeit auch in Parks und Gärten
Zugverhalten: Meist Standvogel mit lokalen Höhenwanderungen; bei Samenknappheit irruptive Invasionszüge über große Distanzen, teils bis nach Westeuropa oder Zentralasien.
Brutzeit: März bis April (regional variierend)
Nest: In Koniferen, meist 2–11 m hoch; Nestbau durch beide Geschlechter, tiefe Nistmulde aus Pflanzenmaterialien mit mehreren isolierenden Schichten.
Fortpflanzung: monogam; legt 2–5 Eier; 1 Jahresbrut, selten 2; Brutdauer 17–19 Tage; Nestlingszeit 23–28 Tage; Jungvögel bleiben bis zu 119 Tage im Familienverband
Höchstalter: 22 Jahre, 6 Monate
Bestand: 4.400–7.500 Brutpaare in Deutschland; 298.000–608.000 in Europa; 3,0–6,1 Millionen Vögel weltweit
Status: LC – Least Concern (nicht gefährdet)
In Deutschland: Jahresvogel, nicht gefährdet, Trend: stabil
Der Tannenhäher ist stimmfreudig und zeigt ein vielfältiges Lautrepertoire. Am häufigsten ist der charakteristische, aber individuell erkennbare „graaa“-Ruf, der als Standortlaut zur Kontaktaufnahme und vermutlich auch zur Revierabgrenzung dient. Bei Erregung folgen kurze, schnelle Varianten wie „grarr“ oder „girr“ als Warnrufe. Zur Partner- und Jungvogelkommunikation gehören leise schnurrende Laute sowie rhythmisch gereihte Klacklaute mit forderndem Ton, besonders zu Beginn der Brutzeit. In sozialen Zusammenhängen äußert er variable „iäk“-Laute und Pfeiflaute wie „iü“ oder „ia“, die oft beschwichtigend wirken. Der eigentliche Gesang besteht aus einer leisen, rau klingenden Mischung aller Lauttypen und wird vor allem in der Balzzeit vorgetragen.
Der Tannenhäher ist in Deutschland vorwiegend in den Alpen und dem unmittelbaren Vorland verbreitet. Weitere stabile Vorkommen bestehen in Mittelgebirgen wie dem Schwarzwald, dem Bayerischen Wald, dem Harz, dem Thüringer Schiefergebirge und der Rhön. Auch aus Teilen Nordostdeutschlands, etwa in Vorpommern und im Arnsberger Wald, sind vereinzelte Beobachtungen dokumentiert. Der Tannenhäher meidet weitgehend offene Landschaften und ist daher in agrarisch geprägten Regionen seltener anzutreffen. In Invasionsjahren ist es zu Bruten der ostereuropäischen Unterart N. c. macrorhynchos in Nordostdeutschland gekommen.
In Deutschland besetzt der Tannenhäher vorwiegend strukturreiche Nadel- und Mischwälder in mittleren bis höheren Lagen. Besonders bevorzugt werden Bergwälder mit Lärche, Tanne, Kiefer, Buche und Fichte. Monotone Fichten- oder Kiefernforste mit nur einer Altersklasse sind weniger geeignet. Brutreviere befinden sich häufig in naturnahen, ungestörten Waldgebieten oder auch in extensiv bewirtschafteten Wäldern. Auch Gärten am Waldrand oder alte Parks können besiedelt werden, sofern ausreichend Haselnusssträucher oder Zirbelkiefern vorhanden sind.
Der Tannenhäher ist in Mitteleuropa ein ausgeprägter Standvogel, der durch seine Vorratshaltung eng an sein Revier gebunden ist. Zugbewegungen beschränken sich meist auf Ausflüge in tiefere Lagen während der Haselnuss- oder Zirbelkieferernte ab Juli bis Oktober, besonders in Süddeutschland und Tschechien.
In manchen Jahren kommt es bei Tannenhähern aus Sibirien zu invasionsartigen Einflügen in Mitteleuropa, wenn aufgrund schlechter Zapfenjahre keine Vorräte angelegt werden können. Diese Bewegungen erfolgen oft ungerichtet und können bis weit nach Mitteleuropa und Westeuropa reichen. An solchen Invasionen beteiligen sich größtenteils Vögel der Unterart macrorhynchos, vorwiegend Jungvögel, die zum Teil weit in Gebiete vordringen, in denen die Art sonst nicht vorkommt.
Die letzten großen Invasionen des Tannenhähers in Mitteleuropa fanden in den Jahren 1968 und 1977 statt, wobei 1968 die stärkste dokumentierte Invasion darstellte. Kleinere Invasionen oder verstärkte Einflüge wurden für 1985 und 1993 verzeichnet. Seit den 1990er Jahren sind hauptsächlich sporadische Einzelnachweise zu verzeichnen, wie etwa 2018 in Brandenburg.
Der Bestand des Tannenhähers gilt langfristig als stabil, obwohl seit etwa 1990 ein Rückgang in manchen Regionen festgestellt wurde. In den vergangenen Jahrzehnten konnte eine Ausdehnung des Brutgebiets in einigen Mittelgebirgen beobachtet werden, etwa im Harz und Schwarzwald. Bundesweit bewegt sich der Bestand aktuell auf 4.400–7.500 Revierpaare.
Der Tannenhäher ist ein kräftig gebauter Rabenvogel mit schokoladenbraunem Gefieder, das von auffälligen weißen Tropfenflecken durchsetzt ist, sowie mit weißen Unterschwanzdecken und weißen Spitzen der Schwanzfedern. Männchen und Weibchen sind im Feld nicht unterscheidbar. Jungvögel tragen ein viel helleres, rahm- bis graubraunes Gefieder ohne dunklen Scheitel, mit verwaschener Fleckung und einem kürzeren Schnabel; charakteristisch bleiben jedoch bereits die weißen Unterschwanzdecken und Schwanzspitzen.
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